Dominikaner in Braunschweig

Zur Geschichte der Braunschweiger Dominikaner

von Wolfgang Stickler OP

 

Gründung | Untergang in der Reformation | Rückkehr 1951

Die Gründung des Klosters am Bohlweg

Die Dominikaner kamen sehr spät in die damals nicht gerade unbedeutende Stadt Braunschweig. Franziskaner finden wir bereits im Jahre 1215/16 in der Welfenstadt ("Brüdernkloster"). Die Gründe für dieses späte Auftreten der Dominikaner in Braunschweig sind nicht bekannt, in anderen Städten des Deutschen Reiches jedenfalls waren sie schon lange vertreten.

Am 18. Dezember 1293 unterschrieben die beiden Braunschweiger Herzöge Heinrich der Wunderliche und Albrecht der Fette ein Urkunde, die den Dominikanern erlaubte in Braunschweig ein Kloster zu gründen. Dies geschah gegen den Willen des Rates der Stadt sowie der alteingesessenen Geistlichkeit. Hinter Herzog Albrecht dem Fetten stand mit dringender Bitte König Adolf von Nassau und hinter diesem wieder sein Bruder Dieter, der damals als Dominikaner in Mainz lebte. Beziehungen sind das halbe Leben. Auf Dieter geht wohl das große Lob zurück, das wir der o.g. Urkunde der Braunschweiger Herzöge Albrecht und Heinrich entnehmen können: "Die Predigerbrüder sind berühmt in allen Landen, die Frömmigkeit ihres Wandels ist in aller Munde. Durch ihr Vorbild und ihr Leben regieren sie die Welt." Nicht gerade bescheiden. Aber selbst diese großen Worte machten offenbar keinen besonderen Eindruck auf die Braunschweiger. Über vierzehn Jahre bekamen die Dominikaner in der Welfenstadt kein Bein auf die Erde.

Am 18. April 1307 erlaubten die beiden Braunschweiger Herzöge Heinrich und Albrecht nochmals den Bau eines Dominikanerklosters in Braunschweig und im August desselben Jahres traten sie den "Drostenhof" am Bohlweg den Predigerbrüdern für 65 Mark Silbers ab, damit diese dort ein Kloster bauen könnten. Die Lage inmitten der Stadt war ausgesprochen gut: unmittelbar neben der Burg Dankwarderode und dem Dom.Sofort wurde mit dem Bau begonnen, doch Rat und Geistlichkeit der Stadt gaben ihren Widerstand nicht auf. Kein geringerer als Meister Eckehart, zu dieser Zeit Provinzial der Ordensprovinz Saxonia, zu der das Braunschweiger Kloster gehörte, kam am 23. Juni des Jahres 1309 in die Stadt Braunschweig, um den Klosterbau abzusichern. Doch auch Meister Eckhart gelang es nicht, den Widerstand zu brechen, ja er mußte sogar dem Stadtrat zusagen, daß der Bau des Klosters eingestellt werde, es sei denn der Papst würde eine Genehmigung zur Errichtung des Konventes erteilen. Da der Dominikanerorden gute Beziehungen zur römischen Kurie besaß und die Päpste in der Regel die Bettelorden förderten, geschah dies dann auch ein Jahr später: am 23. Januar des Jahres 1310 erteilte Papst Clemens V. die Genehmigung zum Bau des Braunschweiger Dominikanerklosters. Im selben Jahr wird auch das Braunschweiger Kloster auf dem Generalkapitel der Dominikaner von Piacenza offiziell in den Ordensverband aufgenommen, d.h. es wohnten seitdem Dominikaner in der Stadt.

Doch selbst mit der Entscheidung des Papstes gaben sich der Braunschweiger Stadtklerus sowie der Stadtrat noch lange nicht zufrieden. Die Auseinandersetzungen mit den Dominikanern gingen weiter. Erst neun Jahre später ist der Stadtrat endlich bereit, den Predigerbrüdern in der Welfenstadt einen Konvent zu gestatten. Er tut es, wie die Urkunde aus dem Jahre 1319 besagt, "Gott und der Jungfrau zu Ehren und aus Respekt vor den Herzögen." Man war offensichtlich nicht gerade erfreut über die Dominikaner.

  • An Sonntagen durften sie nur eine Predigt halten, nach dem Frühstück.
  • In der Woche nur eine Predigt, und zwar am Freitag vor dem Frühstück.
  • An Festtagen durften sie nicht zur Zeit der Pfarrmessen predigen um, wie es in dem Vertrag heißt, "das Volk nicht von den Pfarrern wegzuziehen oder abzuhalten"
  • Nur bei ganz wenigen Gelegenheiten war ihnen gestattet, in den Pfarrkirchen St. Katharinen und St. Martini zu predigen.
  • Ererbte Grundstücke durften sie nur für "ein Jahr und ein Tag" behalten, dann mußten sie vom Orden wieder verkauft werden.
  • Zu dem in ihrem Besitz befindlichen Grundstück am Bohlweg durften sie kein weiteres im Weichbild erwerben.
  • Gegen den Willen der Eltern duften Söhne, die in der Stadt lebten, nicht in den Dominikanerorden eintreten.
  • Sie durften niemanden veranlassen, sich bei ihnen bestatten zu lassen.
  • Außerdem mußten sie für Beerdigungen, die bei ihnen stattfanden, eine Gebühr an die Pfarrer entrichten.

In demselben Jahr 1319 ist der erste Prior des Braunschweiger Klosters nachweisbar.

Der hier geschilderte Streit ist nicht etwas Einmaliges, was es nur in Braunschweig gegeben hätte. Fast bei jeder Klostergründung der Bettelorden – und die Dominikaner waren und sind ein solcher – traten dieselben Probleme auf. Die Bettelorden, die im 13. Jahrhundert entstehende neue Ordensform, beschränkten sich bei ihrem Leben und Arbeiten nicht auf ein nach außen hin abgeschlossenes Kloster, sondern sie hielten ihre Kirchen offen, sie predigten, übten Seelsorge in der Stadt aus. Damit traten sie in Konkurrenz zu den Pfarreien. Die Dominikaner hatten zudem von den Päpsten zahlreiche Privilegien, die die Weltpriester nicht besaßen, so z.B. überall predigen zu dürfen. Dadurch wurden die Rechte des Pfarrklerus angetastet. Zahlreiche Zuwendungen wohlhabender Bürger gingen an die Bettelorden: Geld, das dann den Pfarreien fehlte.

Nachdem nun in Braunschweig alle äußeren Widerstände beseitigt waren, konnte mit dem Bau des Klosters fortgeschritten werden. Die Kirche wurde jedoch erst nach 23 Jahren 1343 vollendet. Bischof Albrecht von Halberstadt (übrigens ein Sohn Herzog Albrechts des Fetten) weihte die Kirche am Sonntag "Jubilate" (4. Mai) des Jahres 1343 zu Ehren des hl. Paulus und des hl. Thomas von Aquin. Paulus war für die Dominikaner ein bevorzugter Patron, man nannte die Predigerbrüder deshalb auch "Pauliner" und das Braunschweiger Dominikanerkloster wird in der Regel als "Paulinerkloster" bezeichnet.

Doch der Bau des Konventes war damit noch nicht abgeschlossen. 1438 war man noch mit den Kreuzgang beschäftigt, der Schlußstein des Westgiebels trägt das Jahr 1525. Zehn Jahre später mußten die Dominikaner infolge der Reformation Braunschweig wieder verlassen. Entgegen den anfangs bestehenden Widerständen seitens des Stadtrates gegenüber den Dominikanern war das Verhältnis nach der Gründung ausgesprochen gut. Es kam nie zu einem nennenswerten Streit zwischen Stadt und Predigerbrüdern. Eine Reihe von Gilden siedelten sich am Kloster an:

  • Gilde der Tuchmacher
  • Gilde der Goldschmiede
  • Gilde der Gerber
  • Die Liebfauengilde

In Testamenten wird das Kloster oft erwähnt. Die Verstorbenen hatten das Recht, auf dem Klosterfriedhof bestattet zu werden.

Die Kirche besaß 13 Altäre. Im Jahre 1398 schenkte der Herzog dem Kloster ein Reliquiar mit dem Arm des hl. Longinus - ein Zeichen dafür war, welch großes Ansehen das Kloster beim Braunschweiger Herzog besaß. Weiter hatte das Kloster an Reliquien ein Büschel der Haare Mariens. Die Verehrung derselben an Marienfesten verschaffte einen 14 tägigen Ablaß - nicht gerade sehr viel!

Der Untergang in der Reformation

Bis zur Reformation gibt es wenig Urkunden über das Leben und Wirken der Dominikaner in dieser Stadt. Das Bild von der verkommenen Kirche und den verweltlichten Klöstern am Vorabend der Reformation trifft auf die Braunschweiger Dominikaner nicht zu. Bei den jährlich stattfindenden Provinzkapiteln der Provinz Saxonia werden auch die Bestrafungen für Vergehen der Mitbrüder genannt. Der Braunschweiger Konvent wird hier sehr selten erwähnt. So nimmt es auch kein Wunder, daß die Dominikaner in Braunschweig die einzigen waren, die der Einführung der Reformation theologischen Widerstand leisteten.

Erster öffentlicher Bekenner der reformatorischen Lehre in Braunschweig war der Benediktinerbruder Gottschalk Kruse von St. Ägidien. Er hatte, durch Luthers Lehren angeregt, 1520/21in Wittenberg studiert. Von Dezember 1521 bis Januar 1522 hielt er in St. Ägidien Vorlesungen im Sinne der reformatorischen Lehre. Daraufhin wurde er nach Volkmarode ausgewiesen, die Mönche in Ägidien waren der neuen Lehre gegenüber jedoch nicht abgeneigt. Ab 1526 nahm die Anhängerschaft Luthers in Braunschweig zu, in den seit Anfang 1528 in allen Teilstädten abgehaltenen Bürgerversammlungen wird die Einführung der luth. Predigt und die evangeliumsgemäße Abendmahlsfeier verlangt. Ostern 1528 wird Johannes Bugenhagen nach Braunschweig gerufen. Am 5. September desselben Jahren wird durch den Rat der Stadt die Reformation eingeführt.

Erheblichen Widerstand gegenüber der neuen Lehre leisteten der Braunschweiger Herzog Heinrich d.J., ein Teil der Bürgerschaft und neben den Franziskanern besonders die Braunschweiger Dominikaner. Unter ihnen ist besonders der Dominikaner Dr. Wichman Luders zu nennen, der in Predigten gegen die Reformation Stellung bezog. Doch zu Ostern 1529 wurde den Dominikanern und Franziskanern in Braunschweig der katholische Gottesdienst verboten. Am 6. April desselben Jahres verließen die Franziskaner Braunschweig. Die Dominikaner blieben, wurden aber an jeder Tätigkeit gehindert und durften das Kloster nicht verlassen. Als die Gemahlin des Herzogs vor Ostern 1529 den Prior einlud, um ihr die Beichte abzunehmen, wurde er daran gehindert.

Am 7. April 1531 beklagen sich Prior und Konvent beim Rat der Stadt wegen ihrer großen Not. Der Rat habe ihr Hab und Gut an sich gerissen und sie in das Kloster eingeschlossen und nun litten sie "Hunger und Jammer". Am 3. Oktober 1535 wandte sich der Provinzial der Ordensprovinz Saxonia Johann Mensing an den Herzog und bat um Hilfe: einige Brüder seien aus der Stadt verwiesen, andere gänzlich eingeschlossen, wieder andere seien aus Furcht gewichen, die Kleinodien seien geraubt, die Altäre zerbrochen und jedermann sei es bei schwerer Strafe verboten, das Kloster zu betreten. Nur noch zwei alte Brüder seien im Kloster. Doch auch die Verwendung des Herzogs blieb ohne Erfolg. Ein Jahr später, 1536, haben die Dominikaner Braunschweig endgültig den Rücken gekehrt.

226 Jahre, von 1310 bis 1536 waren die Dominikaner in Braunschweig, bis sie der Reformation weichen mußten.

Die Bibliothek des Klosters wurde von der Stadt eingezogen. Bestände der Bibliothek des Klosters sind heute noch in der Braunschweiger Stadtbibliothek sowie in der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel nachweisbar.

Ab 1546 wurde in der Paulinerkirche der lutherische Gottesdienst eingestellt, da die Kirche zeitweise für die Aufnahme des Wolfenbüttler Geschützes herhalten musste. Kloster und Kirche wurden zum Aufbewahren von Bauholz und Korn benutzt. Die Böden dienten als Hopfenlager. Von 1712 an wurde die Klosterkirche von Herzog Anton Ulrich als Zeughaus genutzt. C.G.W. Schiller schreibt in seinem Buch "Die mittelalterliche Architektur Braunschweigs" (1852): so wurde dieser "Tempel des Friedens zum Rüsthause des Krieges".

So sah das ehemalige Dominikanerkloster als Zeughaus in der Barockzeit aus:

 

Im Jahre 1902 schließlich wurde das Braunschweiger Dominikanerkloster am Bohlweg abgerissen. Lediglich der Chor der Kirche wurde wieder hinter der Kirche St. Ägidien aufgebaut, um als Museum Raum zu bieten. Dort kann man noch heute diesen Chorraum der Dominikanerkirche besichtigen.

Die wunderschöne Kanzel der Klosterkirche, die kurz nach 1500 von Hans Witten erbaut wurde (1501/1507), steht seit 1948 in der katholischen Kirche St. Ägidien in Braunschweig. Ansonsten sind vom Kloster nur noch sehr wenige Gegenstände erhalten geblieben, so z.B. ein "Pacificale" (Kußtafel) aus dem 15. Jh. sowie eine Steinplastik des hl. Stephanus (beide heute in Landesmuseum).

Die Rückkehr der Dominikaner 1951

415 Jahre nach ihrer Vertreibung aus der Welfenstadt kamen die Dominikaner 1951 wieder nach Braunschweig zurück. Anders als bei der ersten Gründung im Mittelalter, wurden die Dominikaner diesmal um ihr Kommen gebeten. Durch die Vertreibung nach dem zweiten Weltkrieg wuchs die Zahl der Katholiken in Braunschweig, die vor dem Krieg gerade 2% betragen hatte, auf ca. 14 % an. Besonders Heimatvertriebene aus Schlesien, die in der Mehrzahl Katholiken waren, wurden in Braunschweig angesiedelt. Maßgeblich interessiert an einer Niederlassung des Predigerordens waren neben Propst Stuke die katholischen Akademiker.

1947 sagte der Provinzial der norddeutschen Dominikanerprovinz (Teutonia) P. Augustinus Gierlich zu, in Braunschweig eine Niederlassung zu gründen. Noch im gleichen Jahr wurden Dominikaner zu Vorträgen nach Braunschweig gesandt. In den folgenden Jahren kommen immer wieder Dominikaner zu Vorträgen, Predigten, Einkehrtagen in die Stadt.

Im Mai 1951 wurde schließlich von der Ordensprovinz die Gründung einer Ordensniederlassung in Braunschweig beschlossen. Im Herbst desselben Jahres bezogen fünf Dominikaner in einer Wohnung im 2. Obergeschoß in der Jasperallee Nr. 80 ihr Domizil. Ihre Aufgabe bestand in der Akademiker- und Studentenseelsorge sowie in der Predigtätigkeit an der Propsteikirche St. Ägidien.

1956 wurde der erste Spatenstich für den Klosterneubau durch den irischen Bischof Staunton und P.Werenfried von Straaten, "Speckpater" genannt, vollzogen. Sie haben beide den Klosterbau mitfinanziert. Architekt von Kirche und Kloster war Hans J. Lomeyer (Köln-Marienburg).

Am 1.11.1957 konnte das Kloster bezogen werden, am 24. Februar 1958 fand der erste Gottesdienst in der Kirche statt. Am 9./10. August 1958 schließlich wurde die Kirche durch den Hildesheimer Bischof Heinrich Maria Jansen dem hl. Albertus Magnus geweiht.

Eine Neugestaltung des Altarraumes erfolgte 1987 mit dem Altarkreuz "Kreuztrilogie - Rosenkranz" von Prof. Gerd Winner (München / Liebenburg), 1993 wurde die Marienkapelle (ehemals Taufkapelle) von Ingema Reuter (Berlin / Liebenburg) sowie Gerd Winner gestaltet. Der Kreuzweg von Prof. Gerd Winner stammt aus dem Jahre 1995. Konfrontiert wird der Kreuzweg mit vier großformatigen Madonnenbildern im nördlichen Seitenschiff von Ingema Reuter. Dem umgestalteten Altarraum entspricht architektonisch die Ende 2002 errichtete neue Orgelanlage. Ihr dreiteiliger Prospekt nimmt den Dialog mit dem Alttarkreuz auf. Gemeinsam mitdem Orgelbauer Konrad Mühleisen hat Gerd Winner dieses Projekt entwickelt. Die Neugestaltung der Kirche wurde 1994 von der "Deutschen Gesellschaft für christliche Kunst" als "beispielhafte innovative Lösung" ausgezeichnet.

1986 gestalteten die Dominikaner einen Teil des Klostergebäudes zu einer Tagungsstätte mit dem Namen "Las Casas-Haus" um, in dem Seminare zu religiösen und politisch-ethischen Fragestellungen sowie Veranstaltungen zu Kommunikation, Selbsterfahrung und Gruppendynamik stattfinden.