Dominikaner im Nationalsozialismus

Die Dominikaner im Nationalsozialismus

von P. Dr. Paulus Engelhardt OP
und P. Dr. Willehad Eckert OP

 

Hindernisse | 1933 - 1937 | 1939 - 1941 | 1941 - 1943 | Schlussbetrachtung

 

Hindernisse

  • Die Hauptquelle enthält besondere Probleme. Es handelt sich um die in ihrem originalen Wortlaut noch nicht vollständig gedruckten Erinnerungen von P. Laurentius Siemer, dem Provinzialprior der Ordensprovinz Teutonia (zu der bis 1938 auch die süddeutschen Klöster gehörten) von 1932 bis 1946. In der 1957, ein Jahr nach Siemers Tod gedruckten Teilaus-gabe fehlt die entscheidende Zeit von 1936 - 1941. Außerdem sind einzelne Passagen mit Rücksicht auf noch Lebende verschlüsselt. Die in mehreren Schreibmaschinenexemplaren vorliegende Originalschrift ist auf der einen Seite eine unentbehrliche Geschichtsquelle, weil in ihr ein Mann Auskunft über den Dominikanerorden in Deutschland sowie über die Zeiter-eignisse und die zeittypischen Ideen gibt, der wie kaum ein zweiter deutscher Dominikaner einen umfassenden Überblick und tiefen Einblick hatte. Der erste Manuskriptband ist in der Gefängniszeit 1935/36 geschrieben und endet vor dem Beginn der NS-Zeit. Der zweite Band beginnt mit der Wahl Siemers zum Provinzial im siebten und letzten Wahlgang am 13. September 1932. "Der Teil der Erinnerungen, der sich mit der NS-Zeit befaßt, dürfte nach 1945 entstanden sein". Die Chance des Überlebens verstand der nach dem 20. Juli 1944 von der Gestapo Gesuchte als Verpflichtung zum Zeugnisgeben.
     
  • Dennoch enttäuschen die Erinnerungen des Pater Laurentius Siemer den heutigen Leser, obwohl sie von der ersten bis zur letzten Zeile spannend geschrieben sind; denn ebenso sehr, wie sie offenbaren, verschweigen sie auch; sind zuweilen daher aufschlußreicher für das Wesen ihres Verfassers als für die Zeit, über die sie berichten. Manche Ereignisse werden doch stillschweigend übergangen; über manche Personen, die in den Erinnerungen erwähnt werden, weiß der Verfasser Amüsantes oder Amüsierendes zu berichten, bleibt aber beim Anekdotischen, zuweilen beim Äußerlichen stecken. Über wichtige Ereignisse und die darin handelnden Personen gibt der Verfasser keine oder nur verschleiernde Auskunft. Vor allem: Die "Erinnerungen" dieser starken und oft unberechenbaren Persönlichkeit sind so stark auf die eigene Person bezogen, daß in ihnen die Konflikte der Ordensprovinz Teutonia auf die zunehmende Polarisierung zwischen seinen Anhängern und Gegnern konzentriert werden und die politischen Spannungen in diesem Rahmen dargestellt werden. So müssen die Beurteilungen von Mitbrüdern in bezug auf ihre politische Einstellung mit besonderer Vorsicht gelesen werden. Diese Tendenz kontrastiert mit der Bereitschaft zu einem umfassenden, genauen und auch selbstkritischen Rechenschaftsbericht.
     
  • Der Versuch, Zeitzeugen zu befragen, hatte nur sehr begrenzten Erfolg. Manche sind überhaupt nicht bereit, sich von jüngeren Mitbrüdern befragen zu lassen. Manches "Ich weiß es nicht mehr" offenbart Gedächtnislücken, die nicht vorschnell als Verdrängungen zu bewerten sind. In jedem Fall müssen die mündlichen Aussagen der Zeitzeugen sowie ihre nach-träglich fixierten schriftlichen Erinnerungen an Hand der erhaltenen Aktenstücke - viele sind verlorengegangen - überprüft werden. Absichten der Selbstverteidigung, die nicht bewußt zu sein brauchen, Schutzbehauptungen, aber auch Vermischung von tatsächlich Erlebtem mit nachträglich Gelesenem in der Erinnerung erschweren die Wahrheitsfindung. - Erhaltene Aktenstücke, z. B. Prozeßakten, können, sofern sie sorglich interpretiert werden, über bestimmte Vorgänge Auskunft geben. Mentalitätsgeschichtlich relevant sind Briefe, Tagebuchnotizen, auch Konvents-, Studentats-, Schul- und Schülerchroniken. Besonderes Interesse verdienen die im ordenseigenen Kolleg zu Vechta in Südoldenburg entstandenen Chroniken. Denn ein großer Teil der deutschen Dominikaner kam als Internatsschüler aus diesem Kolleg und/oder hat an Kolleg und Gymnasium als Lehrer oder Präfekt gewirkt. Die Internatsschüler kamen zumeist aus kinderreichen kleinbürgerlichen oder bäuerlichen Familien. Katholisch, konservativ, patriotisch - so waren die Eltern gesinnt. So war auch die Jugend geprägt. "Helden und Heilige" war darum ein für diese Zeit charakteristischer Buchtitel. In die Jugendbewegung waren auch die Internatsschüler eingegliedert. Als Schulleiter hatte P. Laurentius Siemer sich mit Erfolg für ihre Aufnahme in die Deutsche Pfadfinderschaft St. Georg eingesetzt und auch als Provinzialprior darin gefördert.
     
  • So muß bei der Beurteilung der Reaktionen jene Anfälligkeit bedacht werden, die der "linkskatholische" Publizist Walter Dirks März 1931 für den im Kleinbürgertum und Bauerntum verwurzelten deutschen Katholizismus befürchtete: "So gesichert er religiös ist, so anfällig wird er dann sozial sein. Diese Anfälligkeit braucht sich nicht in einem Massenabfall zur NSDAP auswirken: sie kann sich auch als innere Faschisierung des politischen Katholizismus auswirken. In der Tat lagen sogar schon deutliche Anzeichen in dieser Richtung vor; die gemäßigten Formen des deutschen Faschismus fanden vor allem in der katholischen Jugend schon viele Sympathien...Die Worte 'Autorität', 'Vertrauen zum Führer', 'Ruhe und Ordnung' finden ein geneigtes Ohr. Vom Wirtschaftsprogramm der NSDAP zum 'Solidarismus', zum 'Ständestaat' und ähnlichen im Katholizismus weitverbreiteten Vorstellungen ist kein sehr weiter Weg. Die Front gegen 'Liberalismus und Materialismus', die der NS behauptet, deckt sich zu einem Teil mit einer entsprechenden katholischen Front, und auch der Antimarxismus wird lebhaft verstanden."

 

Die Zeit von 1933-1937

P. Franziskus Maria Stratmann

Was Dirks befürchtete, traf wohl auch für die Mehrheit der deutschen Dominikaner zu. Eine Ausnahme stellt der mit Dirks spätestens seit 1925 eng verbundene - wenn auch politisch durchaus anders geartete - P. Franziskus Maria Stratmann (1883-1971) dar.

Er schrieb am (Montag in der Karwoche, dem) 10. April 1933 an Kardinal Faulhaber, beeindruckt von seinen Erfahrungen des "Boykott-Tages" für jüdische Geschäfte am 1. April 1933 (am 29. März - einen Tag nach der versöhnlichen Verlautbarung der deutschen Bi-schöfe - im Völkischen Beobachter angekündigt): "Insbesondere tritt die Personalpolitik und die Judenverfolgung jedes Rechtsgefühl mit Füßen. Eine barbarische, nie erlebte geistige und materielle Enteignung wird gegen zehntausende Unschuldige, Wehr- und Rechtlose durchgeführt, und keine autoritative Stimme erhebt sich in der Öffentlichkeit dagegen... Furchtbare wirtschaftliche, körperliche und seelische Mißhandlungen hauptsächlich gegen Juden und Judenabkömmlinge kommen Tag für Tag vor... Die Wut dieses Nationalbol-schewismus richtet sich nicht gegen eine nachweisbare schlechte Tat oder Gesinnung, sondern unbesehen gegen die jüdische Rasse. Eine Blasphemie, wenn man bedenkt, daß Christus in Ewigkeit dieser Rasse angehört, daß das Christentum nie entstanden wäre ohne das Judentum...Selbst Priester fühlen ihre antisemitischen Instinkte durch dieses sündhafie Treiben befriedigt."

Am 5. Juli wurde Stratmann wegen Verdacht des Landesverrats in Schutzhaft genommen. P. Siemer gelang es, die Schutzhaft in klösterlichen Hausarrest umzuwandeln und Stratmann Mitte November nach Rom zu versetzen.
 

P. Odilo Braun

Ein zweiter Dominikaner, der wohl von Anfang an klar sah, war P. Odilo Braun (1899-1981). In einer Predigt vom 20. Juli (!) 1977 erinnerte sich der fast 78jährige an sein Schlüsselerlebnis: die Ausschreitungen von "SA-Banden" gegen politische und persönliche Gegner nach den letzten freien Wahlen vom 5. März 1933 im Stadtzentrum von Dorsten i. W. Stratmann und Braun kamen nicht aus dem "Milieu" und waren ihr Leben lang "Außenseiter" in der Ordensprovinz Teutonia.
(Anmerkung: Über  P. Odilo Braun OP siehe auch den Beitrag der Braunschweiger Dominikaner zum "Offenen Archiv" in "Braunschweig - eine Stadt in Deutschland erinnert sich.")

Ausführlicher Bericht über P. Odilo Braun hier
 

P. Aurelius Arkenau

Aus dem "Milieu" kam hingegen der Südoldenburger P. Aurelius Arkenau (1900-1991). Er datiert in einem Interview vom 8. Juli 1985 den Beginn seiner Klarsicht etwa auf das Jahr 1934. In seiner Berliner Zeit (1934-1940) weitete er seinen Horizont durch intensive ökumenische Kontakte, die auch Juden einschlossen. Als Seelsorger gefährdeter und später auch zum Tode verurteilter Menschen wuchs in ihm der Widerstandswille. Als Schlüsselerlebnis bezeichnete er die nächtliche Konfrontation mit einem Judentransport in Magdeburg. In Leipzig (seit 1940) arbeitete er mit dienstverpflichteten Franzosen zusammen, setzte sich für polnische Kriegsgefangene ein (Seelsorge war eine strafbare Handlung), versteckte und rettete etwa 20 Juden - aber auch Kommunisten.
(Anmerkung: 1998 wurde P. Aurelius Arkenau OP wegen seines mutigen Eintretens für verfolgte Juden vom Staat Israel mit dem Titel eines "Gerechten unter den Völkern" und einer Tafel in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vaschem geehrt.)

Ausführlicher Bericht über P. Aurelius Arkenau hier
 

P. Laurentius Siemer

Der ebenfalls aus Oldenburg stammende und zeitlebens mit Vechta eng verbundene Provinzial P. Laurentius Siemer (1888 - 1956) war wohl von Anfang an gegen Versuche, eine Übereinstimmung von katholischer und NS-Weltanschauung herzustellen, im Unterschied zu einigen bekannten katholischen Universitätstheologen immun. Es ging ihm um "eine möglichst unabhängige Position seines Ordens und der katholischen Glaubensgemeinschaft ge-genüber dem NS-Staat". So versetzte er 1933 den "Dichterpater" und Parteigenossen Chrysostomus Conrath nach vergeblichen Versuchen, seinen Parteiaustritt zu erreichen, innerhalb dreier Tage zu Dominikanerinnen in Zürich.
 

P. Titus Horten und P. Thomas Stuhlweißenburg

Entscheidend für das "Selbstbewußtsein" der Ordensprovinz waren die "Devisenprozesse" in Köln und Vechta, wo P. Titus Horten neben seiner Lehrertätigkeit die Missionsprokuratur seit 1925 leitete. Diese Prozesse waren die erste Kampagne der Nazis gegen die Orden. Durch sie sollte das Vertrauen der katholischen Bevölkerung in die Orden zerstört und diesen durch hohe Strafen die Existenzgrundlage entzogen werden. Bei den Dominikanern handelte es sich um in unserer Sicht geringfügige Überweisungen in das Missionsgebiet in China, die angeblich unter Umgehung der strengen Devisengesetze getätigt wurden.

Der am 9. April 1935 verhaftete P. Siemer wurde nach seiner Berufung in zweiter Instanz am 29. Januar 1936 freigesprochen. Er verließ das Gefängnis mit weißen Haaren. Die beiden wegen des gleichen Tatbestandes angeklagten Mitbrüder erlebten diesen Freispruch nicht mehr. Der sensible und oft kränkliche P. Titus Horten starb einige Tage vor der zweiten Ver-handlung: am 25. Januar 1936. Der Vorgänger im Provinzialamt, P. Thomas Stuhl-weißenburg, zuckerkrank und der Wirklichkeit psychisch nicht mehr gewachsen, hatte sich bereits am 3. Oktober 1935 in seiner Zelle erhängt. Bei einem Teil der deutschen Dominikaner scheint diese "Prüfung" den inneren Widerstand des Verfolgtseins gestärkt zu haben.
 

P. Korbinian Roth

Nachdem die "Devisenprozesse" nicht den gewünschten Erfolg beim katholischen Volk zeitigten, wurden sie durch die "Sittlichkeitsprozesse" abgelöst. Nach dem berüchtigten Paragraphen 175 StGB waren alle homosexuellen Handlungen strafbar. Ich (PE) erinnere mich noch an die Goebbelsrede, in welcher der Reichspropagandaminister die wenigen "Fälle" aus Ordenshäusern und von ehemaligen Ordensmitgliedern so aufbauschte, als ob fast alle Ordensmänner homosexuell seien. Angst und Tabuisierung führten zu unüberlegten Handlungen. So, als ein "Fall" auch die Ordensprovinz Teutonia bedrohte. Die Tabuisierung hat zur Folge, daß er bis heute nicht verarbeitet ist. Es handelt sich um das nicht eindeutig bekannte, aber von Gerüchten umgebene Verhalten eines prominenten Provinzmitgliedes: des Priors des aufstrebenden Studienhauses Walberberg: P. Korbinian (Leonhard) Roth. P. Roth war ein hochangesehener, geradezu charismatisch begabter Prediger. Die Gestapo führt ihn im Rahmen der Berichte über den Katholischen Akademikerverband unter den "inländischen Gegnern" auf und nennt ihn "Leiter des 'Thomaskreises für Jungakademiker', Köln". Er floh angesichts eines drohenden Prozesses 1937 in die Schweiz (nach Gestapoangaben nach Paris). P. Siemer sah in ihm zugleich eine führende Persönlichkeit einer gegen ihn als Pro-vinzial gerichteten Untergrundbewegung. Er hielt ihn für den Absender eines Briefes mehrerer Mitbrüder, "der Anklagen enthielt, ich hätte die nationalen Empfindungen meiner Mitbrüder nicht nur nicht genügend berücksichtigt, sondern sogar verletzt". Siemer sorgte für seinen Ausschluß aus dem Orden und war auch nach dem Krieg nicht bereit, ihn wieder aufzunehmen.

P. Korbinian Roth kehrte auf Drängen seines Mitbruders und Freundes Raymund van Sante 1941 nach Deutschland zurück, um im Interesse des Ordens alles aufzuklären, wurde von der Gestapo verhaftet, vom 5. 3. 1941 bis zum 20. 5. 1943 im Gefängnis festgehalten und darauf ins KZ Dachau gebracht, wo er die Befreiung am 29. 4. 1945 erlebte.

Nach dem Krieg engagierte er sich als Priester des Erzbistums München für die Dachauer Typhuskranken, später die dort eingelieferten SS-Männer. Nachdem er angesichts der Vergangenheit scharfe Zeitkritik übte, wurde ihm von der Münchener Bistumsleitung am 25. März 1960 seine Dachauer Gemeinde genommen. Am 15. August 1960 fand man seine Leiche in einem Vorarlberger Wald. Sein Grab wurde von Dachauhäftlingen gepflegt.

Ausführlicher Bericht über P. Korbinian Roth hier
 

P. Raymund van Sante

Siemers Verdacht, Roth habe seine antinazistische Haltung kritisiert, wurde durch dessen Verbindung mit dem ebenfalls in Walberberg - als Ethikdozent - wirkenden flämischen Dominikaner P. Raymund van Sante verstärkt. Dieser, den Siemer als Anstifter des Widerstands gegen ihn ansah, war 1919 als flämischer Separatist in Belgien zum Tode verurteilt worden. Er war in die niederländische Dominikanerprovinz eingetreten und mit Zustimmung Siemers in der Teutonia tätig. Dann schien er "mit nationalsozialistischen Kreisen in Verbindung zu stehen". Ob er über ein ergebnisloses Treffen mit dem niederländischen NS-Führer Anton Adriaan Mussert hinaus Kontakte mit niederländischen Nazis hatte, ist umstritten. Nach Siemer war er "ein sehr intelligenter, hochgebildeter und subjektiv frommer Mann. Auf einen bestimmten Typ von Menschen und auf junge Männer übte er einen geradezu suggestiven Einfluß aus, sowohl außerhalb wie innerhalb des Ordens". In Walberberg war er - soweit man den Andeutungen der Zeitzeugen entnehmen kann - Mittelpunkt eines esoterischen, spirituell-ästhetisch-romantischen Kreises. Siemer versetzte ihn von Walberberg in das zur Teutonia gehörende niederländische Kloster Venlo, in dem er sich wie in einem "Käfig" fühlte (Brief vom 13. 1. 1938). Er begann wohl bald ein Wanderleben. Von September 1938 bis September 1939 versorgte er zwei arme südfranzösische Pfarreien. Er war aber auch u. a. in Köln-Sülz tätig und gehörte in Köln zum antinazistischen Kreis um den Stadtdechanten Robert Grosche. 1946 starb er nach schwerer Krankheit in Bergisch-Gladbach und wurde von seinen deutschen Mitbrüdern beerdigt. In einem Freundeskreis außerhalb des Ordens wird er bis heute wie ein Heiliger verehrt und als Widerstandsmann gegen den NS angesehen.

Zwei Wissenschaftler:

P. Eberhard Welty und P. Ignatius Th. Eschmann

Von van Santes wissenschaftlicher Tätigkeit fanden wir kein direktes Zeugnis. Es dürfte aber kein Zufall sein, daß P. Eberhard Welty im Vorwort zu seiner 1935 erschienenen Dissertation: "Gemeinschaft und Einzelmens". Eine sozialmetaphysische Untersuchung, bearbeitet nach den Grundsätzen des hl. Thomas von Aquin" unter den "lieben Mitbrüdern", welche die Arbeit gefördert haben, an erster Stelle P. Raymund van Sante nennt. Nach Siemers Vorstellungen sollte dieser noch "nebenbei" promovieren, was aber offensichtlich nicht gelang.

Welty studierte nach Abschluß seines Ordensstudiums ab 1930 an der Universität Köln Volkswirtschaft und Soziologie und promovierte 1934 zum Dr. rer. pol. bei Leopold von Wiese. Dieser galt als Nationalliberaler und hatte trotz seiner Kritik an der parteipolitischen Ausrichtung der Direktorenposten an dem von den Nazis neuorganisierten (und am 31. März 1934 aufgelösten) Forschungsinstitut für Sozialwissenschaften zwar Schwierigkeiten, aber nie ein Lehrverbot. Lehrer und Schüler trafen sich in einer von je verschiedenen Voraussetzungen entwickelten Beziehungslehre der Gesellschaft. Welty lehnte zwar "die bekannte Tönniessche Unterscheidung" von Gemeinschaft und Gesellschaft ab (406), bevorzugt aber die "naturhaft-organischen Bindungen" (13) und folgt damit dem konservativen und wohl auch antidemokratischen Trend der Zeit. Er ist aber gegenüber jener "organischen Sicht" der "universalistischen Schule" Otmar Spanns, welche die Gemeinschaft als quasi-substantiale "Ganzheit" begreift und ihre Anhänger für den NS anfällig machte, durch (neuscholastische) Thomas-Interpretation gefeit. Der Nazislogan: "Der einzelne ist nichts, die Volksgemein-schaft ist alles" wird damit abgewehrt. Wenn Welty selbst die Gemeinschaft als "Organismus" bezeichnet, dann ist das u. E. keine Anpassung an den NS. Denn er betont den streng analogen Charakter der Übertragung des physischen Organismusbegriffs auf das Gebiet des Sozialen. Gemeinschaft ist für ihn zielbestimmte, durch Handeln zustandekommende Beziehungseinheit von "Menschen in realer Zusammengehörigkeit und zugewandter Gegenseitigkeit" (275).

Der heutige Leser mag Anstoß nehmen an der Forderung einer "autoritären Instanz" (das Wort ist im damaligen konservativen Katholizismus positiv getönt) als "Garant des Gemeinwohles", der gegenüber "Gehorsam" geschuldet wird (248f), während von Demokratie laut Register nirgends die Rede ist. Die gegenwärtige (wohl vor der NS-Zeit) "überstarke Betonung der 'Menschenrechte'" gegenüber dem Staatsoberhaupt wird kritisiert (272). Ja, in einem klein-gedruckten Abschnitt (340) scheint er das "Führerprinzip" zu rechtfertigen. Er bestimmt aber "den Sinn und die Aufgabe des Führertums": "auf Grundlage der naturgegebenen Rechte und naturgewiesenen Linien das Ganze aufzubauen und auszugestalten".

Weltys zweimal zustimmend zitierter vier Jahre älterer Mitbruder P. Ignatius Th. Eschmann kritisierte aufgrund seiner von Welty geteilten Sicht, daß Thomas von Aquin nur ein konkretes Lebensziel, und zwar das übernatürliche, kennt, Weltys philosophischen Versuch, Gemein-schaft/Gesellschaft (er sprach in seiner römischen Abhandlung lateinisch von societas) als Naturwirklichkeit darzustellen. Sie sei vielmehr ein Gegenstand der praktischen Vernunft, der in Richtung auf das übernatürlich verstandene Gemeinwohl zu verwirklichen sei. Allerdings hatte er Anfang 1934 auf Anregung von Robert Grosche in dessen ökumenischer Zeitschrift Catholica eine Versöhnung zwischen (NS-anfälliger) katholischer Reichsromantik und thomistischer Gesellschaftslehre (civitas) versucht.

Wie Robert Grosche am 30. Juni 1934, der "Nacht der langen Messer", der Ermordung von SA-Führern und zwei katholischen "Führern", schlagartig die Augen aufgingen, so dürfte auch Eschmann ein Umdenken voll-zogen haben. Jedenfalls wurde er aufgrund seiner 11-Uhr-Predigten in der Kölner Dominikanerkirche am 2. Juli 1937 verhaftet und am 11. Januar 1938 entlassen mit der unterschriebenen Verpflichtung, sich der Predigttätigkeit und des öffentlichen Unterrichts zu enthalten. Er floh über Belgien nach Kanada, wo er sich am Päpstlichen Institut für mittelalterliche Studien in Toronto als anerkannter Mittelalterforscher und einflußreicher Lehrer entfaltete. Seine Publikationen über den mittelalterlichen civitas-Begriff von 1944/45 werden immer distanzierter gegenüber einer Übertragbarkeit in die Gegenwart. Er starb am 11. April 1968, in der Ordensprovinz Teutonia weitgehend vergessen.

 

Die Zeit von 1939-1941

Der Kriegsbeginn überraschte uns nicht. Einberufungen zur Wehrmacht hatten schon vor dem 1. September begonnen. Man folgte selbstverständlich. Aber - gab es Kriegsbegeisterung? Zeitzeugen pflegen zu sagen, zu Beginn habe es keine Kriegsbegeisterung wie zu Beginn des Ersten Weltkrieges gegeben. War es bei "idealistischen" jungen Ordensmännern anders? Siemer schreibt - wieder rückblickend: "Bei den meisten zeigte sich eine starke Begeisterung für die Teilnahme am Kampfe, so daß mein Verbot, sich freiwillig zu melden, eine immer stärkere Kritik fand." Verständlicherweise liegt dieses Verbot nicht schriftlich vor. Es handelt sich vor allem um die Meldung zur kämpfenden Truppe; das Reichskonkordat sah ja für Kleriker von der Subdiakonatsweihe ab den Sanitätsdienst vor. Nach den Aufzeichnungen erlaubte Siemer die freiwillige Meldung zum Sanitätsdienst. Im offiziellen Rundbrief vom 10. September 1939 konnte Siemer natürlich nicht konkret werden. Er schrieb u. a.: "Es ist selbstverständlich, daß jeder von uns in diesen Zeiten seine Pflicht bis zum äußersten erfüllt. Einmal aus natürlichen Gründen, weil wir als Glieder des Volkes ihm verhaftet sind; dann aus übernatürlichen Gründen, weil Gott es von uns verlangt."

Zum "Inhalt dieser Pflicht" schreibt er: Wir haben "auf dem Posten auszuharren, auf dem wir stehen und auf den Gott uns berufen hat, bis über uns von der von Gott bestellten Autorität anders verfügt wird". Diese Autorität dürfte zunächst er, der Provinzial selbst sein, aber auch die staatliche Autorität.

Die besondere Pflicht der Gemeinschaft will Siemer selbst durch Einrichtung und Zur-Verfügung-Stellen von Lazaretten erfüllen. Vechta ist bereits eingerichtet. Andere, besonders Walberberg, werden folgen. Im Originalmanuskript schreibt Siemer, die älteren Mitbrüder hielten solche Initiative für unangebracht. "Die Jüngeren sahen - nicht mit Unrecht - in meinen Bestrebungen Versuche, eine aktive Teilnahme der Mitbrüder am Kriege zu verhindern und erhoben dagegen mehr oder weniger lauten Protest. Manche glaubten sogar, als Waffensoldaten priesterlich mehr wirken zu können denn als Sanitätssoldaten. Es war nicht zu leugnen, daß dieser Gedanke eine gewisse Berechtigung hatte...Aber schließlich stellte sich die Meinung, man könnte als Waffensoldat seelsorglich in besonderer Weise tätig sein, als Utopie heraus." Wie war es mit den freiwilligen Meldungen? In den Aufzeichnungen Siemers heißt es im Hinblick auf das Verbot der freiwilligen Meldung zum Waffendienst: "Mit Ausnahme von zweien haben alle Mitbrüder meine Verordnung befolgt." Wir meinen, es seien einige mehr gewesen. Wie dem auch sei, mehr als 30 Dominikaner der Ordensprovinz Teutonia sind "gefallen" - viele haben - weitgehend schwere - Verwundungen erlitten.

Wofür? Das ist eine Frage der nachträglichen Verarbeitung des Unrechtgeschehens. Nur wenige Mitbrüder haben sich dazu geäußert. Eine repräsentative Antwort ist genau so schwer zu erhalten wie zur Einstellung während der NS-Zeit. Es gibt Mitbrüder, die extreme Kriegssituationen noch jahrzehntelang in ihren Träumen erleben. Viele berichten von seel-sorgerlichen Erfahrungen mit den Kriegskameraden, aber nicht vom militärischen und politischen Geschehen. Das Bestreben, sich an Vaterlandstreue nicht übertreffen zu lassen, die Aufforderungen der Bischöfe zu Gehorsam und eine Moraltheologie (auch von dem für die Dominikanerausbildung maßgebenden Dominicus Prümmer OP), die für den fast immer vorliegenden Zweifelsfall über die Berechtigung eines Krieges diesen Gehorsam fordert ("im Zweifelsfall für die staatliche Autorität" - und nicht für weitere Gewissensprüfung), ließen die Frage nach der Gerechtigkeit des Krieges wohl selten zu. Ich (PE) glaube mich zu erinnern, sie kurz gestellt und dann schnell wieder verdrängt zu haben. Mit Vorsicht zitiere ich zwei Aussagen von P. Siemer aus der "Originalschrift" der Erinnerungen:

"Der Einfall in Polen war den meisten von uns, besonders den jüngeren Mitbrüdern, als in etwa moralisch berechtigt erschienen, vor allem aber als politisch geradezu notwendig. Man gab sich der Meinung hin, daß der Nationalsozialismus doch eine weltgeschichtliche Aufgabe hätte und den Bolschewismus vernichten müßte." Der zweite Satz dürfte nicht den ersten begründen - auch wenn man nicht an die Dauer des Hitler-Stalin-Paktes glaubte. Eine nega-tive Haltung Polen gegenüber hat bei den Deutschen - auch in der Zentrumspartei - vorgeherrscht. Denn "Polen" bedeutete: die größten deutschen Gebietsverluste, z. T. aufgrund einer umstrittenen Volksbefragung, z. T. ohne Volksbefragung. Der "polnische Korridor" war die größte von Versailles geschlagene offene Wunde. Gegen die aggressiven Pläne Marschall Pilsudskis führte die deutsche Regierung seit 1925 eine Art Handelskrieg - heute sprechen wir von Wirtschaftsboykott. Dagegen wandten sich führende Männer des Friedensbundes deutscher Katholiken und begannen mit Aktivitäten zur deutsch-polnischen Versöh-nung, an denen sich P. Stratmann seit 1927 aktiv beteiligte. Die Verhaftung Stratmanns war wahrscheinlich von einer von W. Dirks verfaßten Broschüre veranlaßt: er trage deren These mit, der Wehrsport an der deutsch-polnischen Grenze könne als Vorbereitung auf einen Krieg gegen Polen gedeutet werden.

Nun die scheinbar ganz anders geartete Äußerung. Zum "Überfall auf Holland" schreibt Siemer in seinen Erinnerungen: "Ich selbst und fast alle meine Mitbrüder waren der Meinung, daß ein großes Unrecht geschehen sei. Und dabei waren wir irgendwie Teile jener Maschine, mit der vom Naziregime aus Unrecht getan worden war und immer noch getan wurde. Wiederum wurde die Frage brennend, wie wir uns unter den gegebenen Umständen zu verhalten hätten. Das Einfachste und - und ich sage es mit tiefster Beschämung - Konse-quenteste wäre es gewesen, den Kriegsdienst zu verweigern. In mir kämpften die beiden Überzeugungen miteinander, einmal, daß wir dem Vaterland verpflichtet seien, und dann, daß wir kein Unrecht tun dürften." Der anschließend gekennzeichnete Rundbrief vom 19. Juli 1940 liegt uns nicht vor. In ihm habe er die Gehorsamspflicht gegenüber dem Staat eingeschränkt: "... wenn er nur wirklich Staat sei."

Der Beginn des Rußlandfeldzuges, der vielen katholischen Soldaten ihr Gewissen erleichterte, war in der Ordensprovinz Teutonia von der Beschlagnahme und Enteignung der Klöster in Köln und Walberberg überdeckt.

Ende 1940 hatte die Beschlagnahme von Klöstern begonnen, die bis zum Sommer 1941 gehäuft vorgenommen wurde. Am 16. Juli fielen das Provinzialatshaus in Köln und die als Lazarett eingerichtete Hochschule Walberberg diesen Aktionen zum Opfer.

Die daraufhin erfolgte Selbstorganisation der Orden, die zu verstärkter Einflußnahme auf die Bischöfe führte, hat eine Vorgeschichte. Der Generalsekretär der Superiorenvereinigung (Zu-sammenschluß der höheren Oberen missionierender Orden), P. Ansgar Sinnigen, wurde am 14. November 1935 wegen angeblicher Devisenvergehen verhaftet und nach über 4 Mona-ten freigesprochen. Er behielt seine Stellung bis zu seinem Tode 1940, scheint aber nicht mit der von Ordensvertretern erwarteten Energie für die Belange der Orden eingetreten zu sein. Um dem erwarteten Verbot zuvorzukommen, beschloß die Superiorenvereinigung am 26./27. Mai 1941 ihre Selbstauflösung. Generalsekretär war seit August 1940 P. Odilo Braun.

 

Die Zeit von 1941-1943: Widerstand auf drei Ebenen

Der Weg über die Bischöfe

Aus den Mitgliedern der aufgelösten Superiorenvereinigung: P. Siemer OP (seit dem Beginn seines Provinzialats 1932), P. Augustin Rösch SJ (seit 1935) und P. Braun OP (seit 1940) entstand durch Hinzuziehung des jüngeren P. Lothar König SJ und des für den Kontakt zum süddeutschen Raum wirkenden Juristen Georg Angermaier der Ausschuß für Ordensangelegenheiten, dem besonders für den Erhalt der Orden und gegen den NS engagierte Bischöfe angehören sollten. Am entschiedensten waren Bischof Graf Preysing von Berlin und Bischof Dietz von Fulda. Das Hauptmotiv der geplanten und nur teilweise verwirklichten Einflußnahme auf die Deutsche Bischofskonferenz ist eine von den fünf Männern des Ordensausschusses formulierte Begründung für ein notwendiges Hirtenwort: "Auch der nichtchristliche Teil in Deutschland, der unter der Last der Rechtlosigkeit und seiner eigenen Ohnmacht gegenüber Unrecht und Gewalt leidet, erwartet Hilfe und Verteidigung der allgemeinen menschlichen Rechte durch den deutschen Episkopat."

Katholische Vorbereitung der Zukunft

P, Rösch SJ war bereits im Oktober 1941 in Berlin mit Graf Moltke, dem "Haupt" des Kreisauer Kreises, in Verbindung gebracht worden. Siemer trat 1941 in Kontakt zu den (früheren) christlichen Gewerkschaftern, die sich im Kettelerhaus trafen. Als ersten Namen nennt er in seinen Erinnerungen immer Nikolaus Groß, den früheren Schriftleiter der Kettelerwacht. Damals ging es um sozialethische Fragen für die Zeit nach dem erwarteten Zusammenbruch des NS-Regimes. Der "Kölner Kreis" nahm Ende 1942 Kontakt zum Widerstandskreis um Carl Friedrich Goerdeler auf. Für die sozialethischen Zukunfts-perspektiven zog Siemer - vermutlich 1943 - P. Eberhard Welty zur Beratung heran. Diese vollzog sich schriftlich; Welty nahm wohl nur an einer Sitzung (Juni 1944) teil. Er überwand seine eher ängstliche Natur und verfaßte schließlich eine richtungweisende Programmschrift, einen Weg in die Zukunft nach dem verlorenen Krieg. Es gelang ihm, diese Schrift zu verstecken. Unmittelbar nach Kriegsende stand sie zur Verfügung. Die Entwicklung von P. Eberhard Welty ist bezeichnend genug. Er wuchs durch die Konfrontation mit dem Nationalsozialismus zu einem wahrhaft demokratischen Verständnis heran und setzte sich für die Verwirklichung eines christlichen Sozialismus ein. Seine diesbezügliche Zukunftsvision aller-dings fand im Nachkriegsdeutschland nicht den genügenden Widerhall - Tragödie der Widerständler, daß viel zu wenig von ihren Ideen und Plänen nach dem Krieg rezipiert und verwirklicht worden ist.

Teilnahme am Widerstand

Siemer kam persönlich 1942 mit seinem alten Bekannten Rechtsanwalt Josef Wirmer zusammen, der laut Urteilsbegründung des Volksgerichtshofs vom 8. September 1944 durch Jakob Kaiser ebenfalls 1942 mit Goerdeler bekannt gemacht wurde. Das war das Jahr, in dem sich Siemer laut eigenem Rückblick zum unbedingten Widerstand durchgerungen hatte. Herbst 1942 wurde er im Kettelerhaus mit Kaiser und Goerdeler zusammengebracht. Wohl unabhängig vom Kölner Kreis hatte P. Odilo Braun Verbindungen zu militärischen Wider-standskreisen - "Fünf Männer" arbeiteten an einer "Denkschrift", in der Generäle aufgefordert wurden, "sich bei irgendeiner Gelegenheit Hitlers zu bemächtigen, ihn Ärzten vorzuführen, seine Verrücktheit offiziell feststellen zu lassen und dann dem deutschen Volk im Rundfunk verkünden, ein Verrückter, der sich als Verbrecher gebärdet hat, ist nun unschädlich gemacht, wir haben die Sache in die Hand genommen, um wieder Ordnung in das Staatsleben hineinzubekommen..." Siemer konnte in der Nacht vom 16. zum 17. September 1944 der Verhaftung entgehen und sich bis Kriegsende verborgen halten; P. Welty wurde nicht verhaftet-, P. Braun wurde am 27. Oktober 1944 verhaftet und wahrscheinlich am 12. Februar, acht Tage nach dem Bombentod von Dr. Roland Freisler, dem Präsidenten des Volksgerichtshofes, entlassen, "nachdem selbst bei härtesten Foltern kein Geständnis zu erzielen war". Gleich nach der Freilassung half er auf zugleich zärtlich-sorgende und raffinierte Weise mit dem Einsatz seines Lebens den Mitgefangenen, die noch im Gestapogefängnis Berlin, Lehrter Straße, waren, besonders dem Jesuitenprovinzial P. Rösch, dem Mitkämpfer im Ordensausschuß. Röschs dankbare Erinnerungen bezeugen eine tiefe Freundschaft.

 

Vorläufige Schlussbetrachtung

Es könnten noch viele "kleine", aber mutige Formen des Widerstandes genannt werden, zum Beispiel die Unterstützung "nichtarischer Katholiken", die den Judenstern tragen mußten und unter der doppelten Isolation - von den Juden und den christlichen Gemeinden - litten, durch den Maler P. Erwin Röhr in Berlin und andere; die unerlaubte Trauung einer "russischen Mischehe" durch den Kuratus der Paulus-Gemeinde in Berlin, P. Ulrich Kaiser, am 31. März 1935, für die er am 12. Juli 1937 zu drei Monaten Gefängnis und Verbot des Schul-unterrichts verurteilt wurde; die trotz Verbot durch den bescheidenen P. Sigismund Nowakowski weitergeführte und auf Kriegsgefangene ausgedehnte Polenseelsorge, die er seit 1940 in Zusammenarbeit mit P. Aurelius Arkenau in Leipzig durchführte; zahlreiche Verhöre von Predigern durch die Gestapo, manchmal mit Predigtverbot oder Ausweisung aus Rheinland und/oder Westfalen abschließend, usw.

Trotzdem: Wenn die meisten Dominikaner den Kriegsdienst auch eher leidend hingenommen haben, keiner hat sich während des verbrecherischen Krieges gegen ihn gestellt. Nur wenige haben nach dem Kriege Konsequenzen gezogen. Es gibt kein dominikanisches Schuldbekenntnis. Laurentius Siemer tut in seinen "Erinnerungen" sein Wissen um die Mit-Schuld, die Schuldverstrickung der Christen, auch der Dominikaner, kund. Aber ein eindeutiges, klares Schuldbekenntnis vermißt der Leser auch bei ihm. Eher haben die deutschen Dominikaner die Schuldfrage verdrängt, als daß sie eine wirkliche Umkehr vollzogen hätten. Das Jubiläum der wiedergegründeten Teutonia (i.e. 1995)  ist nicht nur Grund zum Feiern. Es sollte auch zur Reflexion, zur Einkehr und zum Bekenntnis genutzt werden.